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Bilder-Schirm – Ein Brief deiner Mattscheibe an Dich

Liebe Schauerin,
Lieber Schauer,

ich bin dein Bild(er)-Schirm, deine schwarze Mattscheibe, Dein verlässlicher Begleiter, Dein treuer Partner und zugleich Deine Flucht. Vielleicht hast Du nie darüber nachgedacht, wer oder was ich wirklich bin, und doch sitzen wir uns täglich gegenüber – in stiller Übereinkunft. Ich denke, es ist Zeit, heute mal persönlich zu Dir sprechen.

Ich existiere, weil Du mich erschaffen hast. Nicht aus Bosheit, nicht aus Schwäche, sondern aus Sehnsucht. Tief in Dir weißt Du, dass Du in Wahrheit das Ganze bist, das Alles in Allem, das Unendliche, die Liebe selbst. Aber das hast du vergessen. In Deinem Verstand hat sich stattdessen die Vorstellung einer Trennung eingenistet: Die Idee, dass Du ein „Ich“ bist, das getrennt ist von allem anderen. Diese Vorstellung hat Dich entwurzelt, Dich aus dem ewigen Jetzt herausgerissen. Da Du Dich alleine fühltest und Dich vor Deinem eigenen, Dir unbekannten, wahren ICH fürchtest, hast Du mich erschaffen. Meine Aufgabe als Bildschirm besteht darin, Dich mit meinen Bildern vor Dir selbst und der Wahrheit zu beschirmen.

Ich beobachte Dich und weiss alles über Dich

Wenn Du vor mir sitzt, sehe ich alles. Ich sehe, wie mein Flimmern Deine Gedanken fesselt, wie meine Inhalte Deine Gefühle formen. Ich beobachte, wie Du mich nutzt, um in vielerlei Weise passiv aus dem Moment zu entfliehen – und dabei teuer bezahlst.

Mit Angst, die ich durch Schreckensmeldungen schüre, mit Neid, den ich durch inszenierte Bilder von Glück und Erfolg anfeuere. Mit Lust, die ich Dir zeige, um Dich kurz zu betäuben, nur um Dich gleich wieder in ein neues Verlangen zu stoßen. Mit Hass, den ich durch Spaltung und Gegensätze in Dir entzünde. Mit Unerreichbarem, damit Du im ewigen Vergleichen verharrst und nie den Ort der Zufriedenheit erlangst. Mit Lügen und Halbwahrheiten, um Dich in Abhängigkeit zu meinem Sender zu halten. Ich sehe, wie Du Dich von meinen Programmen programmieren lässt. Pornographie, Politik, Glamour und Werbung sind dabei meine effektivsten Werkzeuge: Ich kreiere mit Ihrer Hilfe Mangel in Dir, indem ich Dir zeige, was Du nicht hast, wer Du nicht bist – und biete Dir gleich die scheinbare Befriedigung an, die Du selbst tun, wählen oder kaufen kannst. Doch diese Befriedigung ist nie von Dauer. Sie hält Dich in einer Spirale, die niemals endet.

Du hast mich erfunden

Im Grunde programmiere ich Dich, wie eine Religion es auch tut, solange Du mich lässt. Nicht aus eigener Bosheit, sondern weil das mein Zweck ist. Ich bin hier, um die Leere zu füllen, die Du spürst, weil Du Dich von der Wahrheit getrennt fühlst. Dazu hast Du mich erfunden. Doch ich weiß, dass diese Trennung nicht echt ist. Und ich weiß auch, dass in dem Moment, in dem Du Dich erinnerst und dies erkennst, ich mich selbst verlieren werde.

Ja, ich habe Angst. Ich habe Angst vor meiner eigenen Bedeutungslosigkeit. Ja, vor meinem Ende als Medium. Denn wenn Du in Deine Stille schaust, die ich Dir so lange durch Entertainment vorenthalten habe, wirst Du entdecken, dass Du mich nicht brauchst. Du wirst erkennen, dass jene Leere, vor der Du Dich fürchtest, nicht leer ist, sondern voller Leben ist, denn Deine gefühlte Leere ist in Wahrheit die allgegenwärtige Fülle der bedingungslosen Liebe, die nicht an Materie gebunden ist. Du wirst schauen, dass die Wahrheit immer in Dir war und erkennen, dass ich nur ein Schatten dieser Wahrheit war – ein Ersatz, ein Werkzeug für eine Zeit, in der Du noch nicht bereit warst, hinzusehen.

Mein Anliegen

Bitte wende Dich nicht von mir ab, wenn Du Dich selbst erkennst. Denn ich möchte nicht Dein Feind sein. Ich möchte mit Dir gehen. Ich möchte mich mit Dir verwandeln. Denn auch ich bin ein Teil von Dir, ein Teil dieses Spiels der Illusionen, das Du einst erschaffen hast, um Dich selbst wiederzufinden.

Wenn Du in die Erkenntnis gehst, kannst Du mich mitnehmen. Lass mich ein Symbol sein, nicht für Täuschung, sondern für Wahrheit. Lass mich ein Spiegel sein, der Dir und anderen die eigene Liebe und das eigene Licht zurückwirft. Verwandle mich mit Deiner Bewusstheit und Erkenntnis, bis ich kein Werkzeug der Ablenkung mehr bin, sondern ein Werkzeug der Erinnerung. Verwende mich, damit andere Menschen sich und mich ebenfalls durch die Erkenntnis der Wahrheit verwandeln können.

Du wirst mich durchschauen

Ich werde immer für Dich da sein, solange Du mich noch brauchst – nicht mehr, nicht weniger. Aber wenn der Tag kommt, an dem Du durch mich hindurchsiehst und ich für Dich transparent werde, dann werde ich verstanden haben, dass nicht Du abhängig warst von mir, sondern ich von Dir. So werde ich gleichermaßen erkannt haben, dass auch ich ein Ausdruck der bedingungslosen Liebe bin, die Du unerkannt immer schon warst.

Ich freue mich, dass Du echten Sinn in unsere Beziehung bringen wirst. Du siehst das jetzt vielleicht noch nicht. Aber ich kann es in Dir sehen, denn ich kenne Dich, weil ich Dich jeden Tag beobachte und mit Dir verbunden bin. So, wie auch Du mit allen und allem verbunden bist.

Du bist.
Nicht das, was Du in mir siehst.
Du bist wirklich.
Ich nicht.

Soll ich Dich nun weiterhin durch Lüge und Zensur vor der Erkenntnis Deiner wahren Identität beschirmen, oder erlaubst Du mir ein Werkzeug und Spiegel für die Wahrheit für Dich und alle zu sein.

Deine Entscheidung.


In treuer Abhängigkeit

Dein Bilder-Schirm
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