Erkenntnis ist: Ein innerer Augenblick, der die Welt verwandelt.
Es war ein Sonntag wie jeder andere.
Die Reihen voll, die Liturgie bekannt.
Ein Priester, ein Buch, eine Gemeinde.
Und doch war alles anders.
Nicht weil etwas Neues theologisiert wurde.
Sondern weil etwas Altes endete –
ein Gedanke, der sich verirrt hatte.
Der Priester betritt die Kanzel.
Doch er wirkt nicht erhöht.
Er wirkt heute anders.
Von innen.
Er schlägt die Bibel auf, liest:
„Der Buchstabe tötet, der Geist aber macht lebendig.“
Dann wird es still. Er schließt zum letzten Mal das Buch und legt es nieder.
Ganz bewusst lässt er den Zuhörern Zeit zum Nachdenken.
Dann fügt er hinzu:
„Solange wir glauben, Gott sei außerhalb von uns, töten wir das Leben in uns.“
Er schaut nicht mehr auf die Schrift, sondern in die Gesichter der Menschen.
Er sieht keine Sünder, keine gläubigen Schäfchen –
er sieht sich.
„Jesus war nicht außerhalb von uns.
Er war das Ich, das wir verleugneten.“
Es war keine Predigt.
Es war ein Rückruf.
Ein Zurückkommen ins eigene Herz.
Kein erhobener Finger. Kein „du sollst…du musst“.
Nur Wahrheit.
„Wie lange wollt ihr noch Worte hören,
wenn das lebendige Wort in euch wohnt?Wie lange wollt ihr noch den Himmel suchen, wenn ihr selbst sein Ursprung seid?
Wie lange wollt ihr noch auf einen Gott warten, der längst in euch atmet?“
In der letzte Reihe hörte man ein kleines Kind erstaunt sagen: “Mami, der meint mich.”
Tränen flossen – nicht aus Reue.
Sondern weil endlich erkannt wurde:
Es gab nie etwas unerreichbar Getrenntes zu erlangen. Nur zu erinnern, dass es nie eine Trennung geben kann.
Er stieg aus seinem Gewand, blies die Kerzen aus, legte seine Kopfbedeckung auf den Altar, trat von der Kanzel hinunter und wurde still.
Dann sagte er:
„Wenn du dich erinnerst, wer du bist,
wirst du keine Kirche mehr brauchen.
Denn dann bist du der lebendige Tempel.“
Er ging.
Nicht weg –
sondern voran.
Hinaus aus dem Steinhaus, das sie nur deswegen für heilig hielten, weil sie in getrennter Wahrnehmung von sich selbst ihre eigene Heiligkeit auf ein Gebäude gelegt hatten.
Niemand fühlte sich verlassen.
Denn das, was er zurückließ,
war kein leerer Raum,
sondern ein Raum voller Licht, dessen Decke nun verschwunden ward.
Denn in diesem Moment geschah es:
Das Wort, das so lange gelesen wurde,
wurde Fleisch.
Wurde Geist.
Wurde ICH.
Und das Buch?
Es blieb liegen – nicht vergessen.
Sondern erfüllt.
Denn was geschrieben stand,
wurde endlich erkannt –
in jedem, der sich selbst wieder sah.
So endete die Religion – nicht in Ablehnung.
Sondern in Erinnerung.
Und was bleibt,
ist das ungeteilte ICH –
in dem sich alles wieder einsammelt,
was jemals getrennt schien.
Das war der Tag,
an dem der Himmel zurückkam.
Nicht von oben –
sondern von innen.
Der Tag an dem die Kirche endete.
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