Wein ist mehr als ein Getränk. Er ist eine Botschaft. Eine Geschichte von Einheit, von Transformation und der bedingungslosen Liebe, die sich in allem zeigt, was wirklich ist. Im Wein offenbart sich die Aufhebung der Dualität – die Wiedervereinigung von Wasser und Erdland, die Rückkehr zur Einheit.
Und Gott sprach: Es sammle sich das Wasser unter dem Himmel an einen Ort, damit man das Trockene sehe! Und es geschah so. Und Gott nannte das Trockene Erde; aber die Sammlung der Wasser nannte er Meer. Und Gott sah, dass es gut war. (1. Mose 1, 9+10)
Die Rückkehr zur Einheit
Jede Traube beginnt ihr Leben an der Schnittstelle zweier Welten: Ihre Wurzeln graben sich tief in die Erde um dort Wasser zu ziehen, während ihre Blätter das Licht des Himmels trinken. Das Leben selbst verbindet, was scheinbar getrennt ist. Im Wein sind beide Elemente wieder zusammengefügt – Wasser und Erde verschmelzen zu einem neuen Ganzen. Die Dualität hebt sich in Einheit auf.
In vino veritas – Im Wein liegt Wahrheit. Warum? Weil der Wein ein Bild für die Erkenntnis der wahren Einheit ist, die schon immer war. Die Frucht der Rebe, die sich in ihrer Fülle zeigt, ist Sinnbild für diese Erkenntnis: Die Traube. Doch die Erkenntnis allein genügt nicht. Sie muss durch einen Prozess gehen, um zur vollen Wahrheit zu reifen.
Das Zerstampfen der Illusion
Hat die Frucht ihren Höhepunkt erreicht, wird sie geerntet – und dann zerstampft. Die einzelne Traube gibt ihre Form auf. Das Ego löst sich auf. Was vorher scheinbar als individuelle Frucht existierte, fließt nun in einem größeren Ganzen zusammen: Traubensaft.
Diese Phase ist schmerzhaft. Die Illusion der Trennung wird aufgelöst. Doch hier beginnt der eigentliche Wandel. Aus dem Chaos des Zermalmens entsteht etwas Neues, eine Wiederherstellung – nicht mehr einzelne Früchte, sondern eine vereinte Essenz. So wie der einzelne Mensch sich im kollektiven Ich wiederfindet, in dem alles miteinander verbunden ist.
Die Gärung – geistiges Wachstum
Doch der Traubensaft ist noch nicht Wein. Er muss gären und zum vollen Aroma heran reifen. So wie der Geist in der Erkenntnis heranwächst, um seine eigene erinnerte Wahrheit auch wahrhaftig verkörpern zu können. Gärung ist der Weg in die Authentizität, das Reifen des Bewusstseins und der Wahrnehmung – das Verwandeln von getrennt gedachtem Potenzial in vollendete Fülle der kollektiven Einheit des ungeteilten Ich.
Wo geschieht dieser Reifeprozess? In Fässern aus Holz, gefertigt aus demselben Material wie der Weinstock selbst. Der Geist reift in Gott – in dem, was ihn hervorgebracht hat. „Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben“ (Johannes 15,5). Die Reben allein können keine Frucht bringen. Der lebendige Weinstock bringt ihre Einheit aus Wasser und Erde hervor. Durch die Lagerung im Holzfass, die Ruhe in Gott, reift der Geist des Weines zu seinem vollkommenen Aroma heran. So kann er tatsächlich der Wein sein, welcher er schon immer war.
Der vollendete Wein – das Sein der Söhne Gottes
Der Wein ist nicht länger Saft. Er ist durch den Reifeprozess hindurchgegangen und hat eine neue Qualität angenommen. Er ist nicht mehr nur ein Getränk – er ist eine Essenz, ein Ausdruck von Reife, Tiefe und Wahrheit.
So wie der Wein erst durch seine Gärung zur Vollendung kommt, so ist es mit jenen Söhnen Gottes, auf die die ganze Schöpfung wartet. Sie sind die ersten nach Jesus, die durch ihn angekündigt das Sein selbst verkörpern. Sie bewirken Wahrheit nicht durch ihr Tun, sondern allein durch ihre Anwesenheit. Sie sind der reine Wein – die Auflösung der Illusion, das Licht der Wahrheit.
Jesus und die Auflösung der Illusion
Jesus verwandelte Wasser in Wein. Was bedeutet das? Er zeigte, dass die Wahrnehmung von Getrenntheit nur eine Illusion ist. Heilung geschieht durch Erinnerung. Was als reines Wasser erschien – das Symbol des Unfertigen, des noch nicht Gereiften – wurde durch ihn zum Wein, zur Wahrheit. Das besondere daran ist, dass diese Aufhebung der Illusion die Reifezeit überging. Bedeutet: Verwandlung ist nicht zeitgebunden, weil die Sicht auf das Wahre nur durch eine Täuschung verdeckt wurde und diese lediglich enttarnt wurde.
Der wahre Wein ist das Sein. Die vollkommene Liebe. Die bedingungslose Einheit. Wo sie erkannt wird, verschwindet die Trennung, und das Reich Gottes wird sichtbar – nicht irgendwo da draußen, sondern in uns. Denn wir sind der Weinstock. Wir sind der Wein. Wir sind die Wahrheit, die sich selbst erkennt.
Und so trinkt nach und nach die ganze Schöpfung von diesem Wein – von der erinnerten Wahrheit, die in uns gereift ist. Ein Wein, der keine Illusion mehr kennt. Ein Wein, der einfach ist.
Der Wein der bedingungslosen Liebe.
Der Wein der Wahrheit.
In vino veritas.
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